Wroclaw - Deutsch-Polnische Grenzerfahrung
Bericht über den Versuch einer staatlichen Enteignung 2005-2011

Diese Seite soll eine Warnung für alle Philatelisten (sowie Sammler und Forscher anderer Gebiete) sein, die polnische oder deutsch-polnische Geschichte anhand von Dokumenten oder Anschauungsobjekten sammeln.

Das polnische Kulturgesetz verbietet die Ausfuhr von allem was über 50 Jahre alt ist (die Grenze verschiebt sich damit täglich). Damit wird alles, was älter als 50 Jahre ist unter Denkmalschutz gestellt.

Dieses Gesetz bietet damit den Zollbeamten an den Grenzen die Freiheit bzw. das Recht, alles zu beschlagnahmen was älter als 50 Jahre ist. Dies führt mitunter zu grotesken Beschlagnahmungen, die im weiteren auch als Beispiel herangezogen werden sollen. In den meisten Fällen führt dies zu einer Enteignung.

Die Auswirkungen für Europäer (im besonderen für uns Deutsche) werden nachfolgend anhand des nun abgeschlossenen Verfahrens einer Beschlagnahmung im Juni 2005 von 255 Briefen und Karten aus der Zeit 1939-45 deutlich.

Tagebuch

polnische Übersetzung

____________________________________________________________________________

Oldtimer
Heimatsammlungen
Philatelie
Familie Schweizer
Genealogie
Kontakt zu uns
  Verantwortlich
   
   
   
   
   
   
   

Vorgeschichte

Ich war Ende Mai 2005 beruflich 2 Tage in Wroclaw (Polen). Da ich für diesen Termin nicht vollständig mit Terminen ausgebucht war kontaktierte ich zwei polnische Philatelisten (Briefmarken und Briefe Sammler) um diese in Wroclaw zu treffen. Um bei einem Gespräch etwas in der Hand zu haben (ist bei solcher Art Gesprächen üblich dass man etwas in der Hand hat zum zeigen und diskutieren als Exempel) habe ich einen Post von 255 Briefen aus der BRD nach Polen mitgenommen. Diese Briefe wurden mir von einem guten Bekannten, zur Sichtung auf postgeschichtliche oder andere interessante Merkmale, übergeben.

 Leider sagten mir die beiden Philatelisten in Wroclaw wegen der zu weiten Anreise ab. Auf der Rückreise beim Zoll auf dem Flughafen wurden die 5 Kuverts mit den Briefen, die ich offen in der Computertasche transportierte, beschlagnahmt.

 Ich bin Sammler, Forscher, Autor und Experte (Prüfer) für das Sammelgebiet Generalgouvernement (Deutsch besetztes Gebiet in Polen von 1939-45). Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es solche Kultur-Landesgesetze überhaupt gibt. Polen wurde in Europa einige Monate zuvor aufgenommen und ich bin mit solchen Belegen bisher ohne Probleme in Ländern Europas gewesen. Ich bin auch deshalb gar nicht auf die Idee gekommen an den Schutz von Kulturgütern zu denken, weil die Poststücke an sich völlige Massenware sind, die man bei eBay für 3-5 Euro/Stück bekommt und die Exemplare in meiner Mappe planlos Zusammengewürfelte Dubletten waren – also das, was übrig bleibt, wenn Sammler große Lose kaufen und sich dann die interessanten Stücke herauspicken.

Meine Aktivitäten

3 Jahre habe ich mit dem Dt. Generalkonsulat Breslau in Verbindung gestanden um den Weg der Belege zu verfolgen. Als eine Verjährung möglich wurde und sich in Polen immer noch niemand bei mir meldete, habe ich einen Anwalt auf Empfehlung des Generalkonsulates eingeschaltet.

 Im 4. Jahr nach der Beschlagnahmung gab es einen Termin bei der Staatsanwaltschaft den ich persönlich wahrnahm. Eine Expertise der Staatsanwaltschaft ergab einen Wert für diesen Briefposten von ca. 1400 Euro (bei 255 Briefen ein Wert je Brief von ca. 5,30 Euro). Als ich in diesem Termin diese Expertise kritisierte, da einiges darin unschlüssig war und auch die Werte teilweise zu hoch angesetzt waren, wurde von der Staatsanwaltschaft eine weitere Expertise in Auftrag gegeben.

 Zusätzlich wurden von der Staatsanwaltschaft mein Bekannter (der Eigentümer des Briefpostens), meine Frau, der Händler der den Posten veräußert hatte und ein weiterer Experte auf diesem Gebiet per Fragenkatalog vernommen. Mein polnischer Bekannter und Experte (den ich leider nicht treffen konnte) wurde persönlich vernommen, der zweite poln. Experte ist leider letztes Jahr verstorben und konnten nicht mehr vernommen werden.

 Die neue Expertise, die ca. 5000 Euro kostet, ergibt für den Briefposten einen geschätzten Wert von ca. 4500 Euro und sagt als Resümee, es wäre auch kein Schaden für Polen wenn dieser Posten nicht in Polen verbliebe.

 Nachdem ich einen Nachweis erbrachte, dass die Sammlung meinem Bekannten in Deutschland gehört, er mir den Nachweis des Händlers liefern konnte wo und wann er die Sammlung erworben hatte und dieser Händler sogar noch einen Kaufbeleg hatte, wo er diesen Posten mit anderen gekauft hatte sah ich einem Gerichtsverfahren entspannt entgegen.

 Es hatte sich durch die lange Verfahrensdauer nämlich eine Gesetzesänderung mit Rückwirkung ergeben, nach der straflos bleibt, wer Kulturgüter aus Polen ausführt, die er zuvor für weniger als 3 Jahre eingeführt hatte. Demnach dürfte mir nichts drohen, und auch mein Anwalt rechnete noch bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung mit einer Einstellung.

Hauptverhandlung:

Das Gerichtsverfahren fand am 26. April 2010 in Wroclaw statt. Mein Anwalt war der Meinung, dass eine der zwei Situationen eintreten wird.

  1. Das Gericht weißt die Klage zurück, da die Staatsanwaltschaft noch nicht alle Beweise eingeholt habe (z.B. Rechnung des Händlers der die Sammlung gekauft hatte)
  2. Das Gericht führt die Verhandlung durch und muss mich mangels Beweisen der Staatsanwaltschaft (bzw. aufgrund der von uns vorgelegten Nachweise) freisprechen bzw. mindestens einen guten Vorschlag machen.

 Leider ist das alles nicht passiert. Ich wurde in der Hauptverhandlung ca. 2 Stunden von Staatsanwaltschaft und Richter befragt und mir wurde der Vergleich des Diebstahls von ägyptischen Pyramiden oder griechischen Statuen mit den Belegen aufgezeigt.

 In der Hauptverhandlung stellte sich dann heraus, dass Richter und Staatsanwalt einmütig davon ausgehen, dass ich ein professioneller Plünderer polnischen Kulturgutes sei, der nun eben einmal auch ins Netz gegangen ist. Ich müsse schon das Bewusstsein haben, dass die Zeit der NS-Besetzung für die Polen ein zentrales Kulturhut darstelle und daher die gegenüber dem harten polnischen Schicksal gebotene Sensibilität aufbringen bzw. ich hätte mir angesichts der deutschen Verbrechen an Polen schon einmal Gedanken machen müssen, ob Polen seine Kulturgüter ggf. strafrechtlich schützen könnte. Unwissenheit schütze vor Strafe nicht. Da ich zwar über Rechnungen verfüge, auf denen steht „Konvolut Generalgouvernement“, aber nicht die einzelnen Stücke aufgelistet sind, gehen Richter und Staatsanwalt davon aus, dass all meine Herkunftsnachweise – und damit der Nachweis – der Einfuhr zwei Tage vor der Ausfuhr getürkt sind. Es läuft also auf eine Verurteilung wegen zumindest fahrlässiger Ausfuhr polnischen Kulturgutes hinaus.

 Ich fühle mich wie in einem politischen Prozess angeklagt wegen Vorsatzes. Ich habe mich erfrecht, das tiefe polnische Leid zum Gegenstand schnöden Geschäftemachers und flacher Sammelleidenschaft zu machen. Es steht einem Deutschen, einem Angehörigen des Tätervolkes, nicht zu, Briefmarken aus der Zeit polnischen Unglücks, das doch von uns Deutschen selbst herbeigeführt wurde, Profit zu schlagen, und das wird nun unter dem Deckmäntelchen des Kulturschutzes pönalisiert. Ich habe aber nie gehandelt, sondern wissenschaftlich geforscht und dadurch der polnischen Kultur ganz wesentlich genützt.

Eindruck eines polnischen Prozessbeobachters:

"Ich bin jetzt das geschäftemacherische Nazischwein und muss als Kulturschänder abgeurteilt werden, damit die Erhabenste Republik die Briefe meines Bekannten einstreichen kann. Dahinter steckt aber noch mehr: Polen fürchtet die historische Wahrheit und wünscht nicht, dass Nichtpolen und Nichtantifaschisten zur polnischen Geschichte forschen. Die wollen lieber im eigenen Saft kochen, damit sie sich auch hinfort als Freiheitshelden der Menschheit und Christus der Völker beweihräuchern können. Mein Anwalte hatte meinen Fall bis dato als normalen Denkmalsschutzfall betrachtet und nicht bedacht, dass ja auf den Briefen für das Polentum ach so allerheiligste Hakenkreuze drauf sind. Nach dem Gesetz spielt das ja auch keine Rolle."

Mein Eindruck

Geschockt (mein Anwalt wie auch ich) nach diesem Gerichtstermin entsteht hier sehr stark der Eindruck, dass hier ein Schauprozess unter Ausnutzung aller gesetzlich zulässigen Mittel durchgezogen wird.

 Ich gebe sicher zu, dass ich hätte wissen müssen/können dass es solch ein Kulturgesetz in den europäischen Ländern gibt (das wohl auch sehr unterschiedlich gelebt und ausgelegt wird) und ich akzeptiere auch sicher eine Strafe für die nicht deklarierte Einfuhr. Dass aber die Gerichtskosten (inkl. neuer Expertise) schon jetzt bei ca. 10.000 Euro liegen, weitere Kosten durch Verfahren und Zeugenvernehmungen noch anfallen und auch meine Kosten durch die permanente Anreise mit Übernachtungen sowie Anwaltskosten auch davon laufen, das kann ich nicht verstehen und nachvollziehen. Wenn es mein Poste gewesen wäre hätte ich sicher (mit dem heutigen Wissen) den Posten der Verjährung und Verstaatlichung zugeführt.

 Und nur der Kampf dafür, dass es um den Posten meines Bekannten geht macht mich noch nicht zu einem Verbrecher der polnischen Kultur bzw. zu einem Denkmalschmuggler.

 

 

24.09.2010 Urteil:

Nachdem weitere Zeugen, von Geschäftskollegen in Polen bis zu dem Zollbeamten (der sich nach über 5 Jahren an kaum mehr etwas erinnern konnte) befragt wurden, wurde meinem Anwalt angekündigt, dass man nun das Verfahren beenden möchte.

Da sich die Gesetzeslage des Kulturgesetzes im Juni 2010 grundlegend geändert hatte forderte mein Anwalt ein neues Gutachten.

 Zur Erinnerung: 

1. Gutachten:  - Philatelist          Wert der Briefe (ca. 1500 Euro)

2. Gutachten:  - philatelistischer Sachverständiger

                     - Militärischer Sachverständiger

                     - Historische Sachverständige         Wert der Briefe (ca. 5.000 Euro)

 Nun wurde das Kulturgesetzt so geändert, dass Sammlungen und Stücke unter einem Kulturhistorischen Wert von 16.000 Zloty (ca. 4.000 Euro) ohne Ausfuhrgenehmigung ins Ausland gebracht werden darf.

Da stellte sich nun die Frage, was ist ein Kulturhistorischer Wert?

Da in laufenden Gerichtsverfahren immer die neueste Gesetzeslage anzuwenden ist wurden zum geplanten Urteilstermin nochmals der Militärexperte und der Sachverständige Philatelie geladen. Da die Aussagen der beiden Sachverständigen auch nicht zu einer Kulturhistorischen Bewertung" führte wäre nun ein neues Gutachten erforderlich gewesen.

Der Richter lehnte alle Anträge meines Anwaltes ab und verlangte nun die Schlussplädoyes.

Die Staatsanwaltschaft forderte nun 1 Jahr Haft auf 3 Jahre Bewährung, 10.000 Zloty Strafe und die Übernahme der Prozesskosten in Höhe von ca. 25.000 Zloty (Erinnerung: 255 Massenbelege aus dem GG im Marktwert von ca. 1200-1500 Euro). 

Mein Anwalt forderte Freispruch, da keine Schuld von der Staatsanwaltschaft beweisen wurde, die Beweislast umgekehrt auf den Angeklagten wurde, die Gesetzeslage sich verändert hat und der "kulturhistorische Wert" für Massenware nicht annähernd an 16.000 Zloty herankäme.

 Der Richter verkündete nach kurzer Zeit sein Urteil:

Freispruch     -     1. Klasse (in allen Punkten), nicht 2. Klasse aus Mangel an Beweisen

Rückgabe der Belege und eine Anwaltskosten Entschädigung von 50 Euro je Prozesstag

(eine kleine Summe im Vergleich zu den tatsächlichen Anwaltskosten, Reise und Übernachtungskosten, Übersetzungskosten etc. in Höhe von ca. 3.500 Euro).

Ich fühle mich damit vollständig rehabilitiert wenn auch das sehr viel Geld und Nerven dafür waren.

 Die Begründung ist allerdings für Sammler polnischer Philatelie sehr interessant.

Zusammengefasst sagte der Richter:

Das geänderte Gesetz muss wohl in dem Sinne geändert worden sein, dass ein Tausch über Grenzen hinweg bis zu einem bestimmten Wert im Sinne des Gesetzgebers ist. Nach alter Gesetzgebung, die nur unbeschränkte Einfuhr und keine Ausfuhr zulässt, hätte ich zur Einbehaltung der Belege als Kulturgut der Polen verurteilt werden müssen (unabhängig von Schuld oder Nichtschuld).

Meine persönliche Meinung:

Wenn ich bei einer auf der alter Gesetzgebung beruhenden Gesetzeslage verurteilt worden wäre hätte mir mein Anwalt eine Klage vor dem EU Gerichtshof für Menschenrechte empfohlen.

Trotz dieser neuen "Freigrenze" empfehle ich allen Sammlern Vorsicht bei der Ausfuhr von Waren die älter als 50 Jahre sind. Der Kulturhistorische Wert ist nirgends definiert und niemand (auch in Polen) weiß zur Zeit wie sich dieser Wert von ca. 4000 Euro definiert. Man geht davon aus, dass dies der Wert sein könnte den ein Museum dafür bezahlen würde. NUR: Gleich wie in Deutschland haben die Museen kein Geld. Und jeden Fall über einen Sachverständigen eines Museums bewerten zu lassen ist auch sehr aufwändig.

Das Gesetz ist also für Philatelisten nicht unbedingt eine Erleichterung bei der Ausfuhr, aber es gibt einem wenigstens nach einiger Zeit und Kosten eines Tages Recht.

Damit ist der Fall für mich abgeschlossen. Ich hoffe die Gespräche des BDPh mit dem poln. Philatelistenverband gingen in eine ähnliche Richtung. Ich würde mich freuen aus diesen Gesprächen eine Kurzinfo zu bekommen. Damit kann die Zusammenfassung zum obigen Titel nur lauten: Nein es sind keine Verbrecher, jedoch kann das für einige Zeit schon unterstellt werden und es braucht viel Zeit, Nerven und Geld um es nicht zu sein.

 


   
   

zurück zur Startseite